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2019 war es soweit. Neben all den anderen Barista-Disziplinen fand nun auch endlich mal die Meisterschaft im Cezve / Ibrik Kaffee brühen statt. Das habe ich mir schon seit langem gewünscht.
Ich war wieder mit von der Partie, aber … Diesmal nicht als Fotograf, sondern ich habe teilgenommen!
Cezve/Ibrik? Was macht man da?
Es ist ein normaler Barista Wettbewerb. Nur eben ohne Filter, ohne Espressomaschine, dafür aber mit den Kupferkännchen die man aus dem Türken- oder Asiashop kennt. Zumindest vom Prinzip her, nur sollte man die Finger weg lassen von den billigen Touri-Dingern.
Vom Ablauf her ist es hier auch so, dass man für eine Jury Kaffee zubereitet. Währenddessen beschreibt man den Kaffee und seinen Geschmack, und glänzt mit Wissen über das Thema. Vergleichbar wie bei den Disziplinen Barista, Brewers Cup und Coffee in Good Spirits.
Bewertet wird dann nicht nur der Kaffee, sondern auch die Sauberkeit, Professionalität, Kreativität, der Geschmack, die sensorische Beschreibung, und vieles mehr.
Es gibt zwei sogenannte Sensory Judges, die sich um den geschmacklichen Teil der Bewertung kümmern. Sie sitzen wie Gäste vor dem Teilnehmer, und umklammern andächtig ihren Bewerbungsbogen – das Scoresheet.
Ganz nah um den Teilnehmer herum laufen die sogenannten Technical Judges. Diese achten auf alles was passiert. Wie wird gemahlen, stimmen die Mengenangaben, geht was daneben, wie lange kocht der Kaffee, sind Reste übrig, …
Fun Fact: Jeweils einer der Sensory Judes (Turgay Yildizli) und einer der Technical Judges (Stavros Lamprinidis) waren schon einmal Weltmeister in dieser Disziplin. Das hatte was davon, als wenn Ronaldo einem beim Fussball zuguckt und bewertet …
Wen es interessiert, der kann mal einen Blick auf die Scoresheets werfen. Keine Angst, ich habe beim ersten Mal auch so geguckt. Mein Plan ist es aber, mir zeitnah mal gemeinsam mit einem Juror so ein Sheet vorzunehmen, und so zu erklären, dass ein Zuschauer versteht was da passiert.
Im Detail brüht man einmal für die beiden Sensory Judges jeweils einen klassischen Kaffee. Den „simple Ibrik“. Diese beiden Tassen müssen parallel zubereitet werden, heisst jeder Kaffee muss im eigenen Kännchen gebrüht werden. Sind die Tassen gleich voll? Ist die Crema identisch? Haben beiden gleich lange gekocht? Hat man gekleckert?
Und natürlich ganz wichtig: Es muss schmecken! Und zwar so, wie man den Geschmack und den Kaffee beschrieben hat.
In meinem Fall waren es Noten von Blutorange und dunkler Schokolade.
Der zweite Gang ist der Signature Drink. Ein selbst kreierter Drink. Wichtig ist hier, dass der Kaffee (der ebenso parallel gebrüht werden muss, und nicht alles in einer Kanne) im Vordergrund steht. Aber auch die Kreativität fließt mit in die Bewertung ein.
Für all das hat man 15 Minuten Zeit.
WM Quali in Unterhaching
Stattgefunden hat das Ganze zusammen mit der Meisterschaft in der Disziplin Coffee in Good Spirits.
Die Weltmeisterschaften in einigen Barista-Disziplinen findet dieses Jahr im Juni auf der World of Coffee in Berlin statt. Daher hat das Deutsche Chapter der SCA (Specialty Coffee Association) alles dafür gegeben, dass das Gastgeberland in jedem Wettbewerb vertreten ist.
Mein Weg zur Teilnahme
Irgendwann im Oktober hieß es, dass Meisterschaften im Cezve/Ibrik ausgerichtet würden. So ein Wettbewerb hat mich schon immer gereizt, und eine kleinere Veranstaltung würde für den Start geeigneter sein als direkt in einer der großen Disziplinen anzutreten (wie z.B. der Brewers Cup oder die Baristameisterschaften).
Zumal ich seitdem ich ein Kind, bin diese Brühmethode in der Kupferkanne kenne und tatsächlich auch hin und wieder nutze.
Also: Angemeldet, und erst mal nichts weiter getan ausser mir neue Kupferkännchen besorgt, und mich wage daran begeben, verschiedene Kaffees zu testen.
Cezve Ibrik Equipment
Lange Zeit waren die Kannen und alles drum herum schwer zu bekommen. Seit kurzem aber gibt es endlich einen Händer in Deutschland:
AROMATICO* aus Bremen hat alles was das Herz begehrt von Soy auf Lager.
Der Kaffee
Kaffee muss natürlich auch her, denn die Auswahl des Kaffees gehört irgendwie auch mit zur Competition, ähnlich wie ein Fussballtrainer sein Team nominiert.
Lediglich beim Brewers Cup gibt es eine Runde, in der alle Teilnehmer den gleichen Kaffee bekommen, und das bestmögliche aus ihm herausholen müssen.
Kaffee-Competitions sind gefühlt immer eine Materialschlacht. Geisha hier, anaerobische Aufbereitung da, irgendeine Sorte die niemand kenn dort.
Ich wollte es eigentlich simpel halten… Aber dann kam Nicole Battefeld bzw. Ivo Weller von der Röststätte Berlin daher. In der Tasse vor mir stand zur Verkostung ein Geisha aus deren Röster. Nicht aus Panama, sondern aus Kolumbien.
Geishas aus Panama gehören aktuell zu den teuersten Kaffees mit den höchsten Scores bei den Qualitätskontrollen. Geisha ist dabei eine Varietät der Arabica Kaffeepflanze (Coffea arabica)
Wikipedia beschreibt es so:
Die Varietät ist eine sekundäre Rangstufe zwischen Unterart und Form[1] und wird für Populationen verwendet, die sich nur geringfügig vom Typus unterscheiden.
Ich sage: Varietäten sind wie die Rebsorten beim Wein. Alles Trauben, alle grün, aber alle dann doch bisschen anders.
Der Cuppinglöffel wanderte zum Mund, und da war es geschehen: Ich musste diesen Kaffee nehmen. Süß, Orange, Noten von Earl Grey/Bergamotte.
Ich habe noch häufiger hin und her probiert, aber schlussendlich wurde es der Geisha El Obraje von der Hacienda El Obraje aus Kolumbien.
Importiert von ally coffee, und geröstet von Ivo Weller in Berlin Mitte. Hier noch einmal ein riesengroßes Dankeschön!
Die Vorbereitung
Wie bereitet man sich auf etwas vor, wovon man nicht genau weiss was es ist?
Ich habe schon unzählige Male eine Kaffee-Performance hautnah miterlebt. Barista, Brewers Cup, Latte Art, … Aber tatsächlich noch keine einzige Cezve/Ibrik Meisterschaft.
Das Internet ist sehr spärlich mit Informationen wenn es darum geht, Specialty Coffee mit dem Ibrik zu kombinieren.
Der Weltmeister von 2013 hat ein recht langes Video gemacht, und es gibt Streams der WM 2017 in Budapest. Der Rest ist entweder komplett verpixelt, oder wackelig und auf Russisch, so dass mir das auch nicht geholfen hat.
Wie dem auch sei, ich habe einfach angefangen Kaffee zu brühen. Mahlgrad, Mengenverhältnisse von Wasser zu Kaffee. Damit fing alles an.
Die ständig aufploppenden Nachrichten mit
„Na, wie laufen die Vorbereitungen?“, „Ben Rahim ist schon hart am trainieren!“ oder „Wir sind seit 2 Tagen jetzt voll im Training.“
machten es nicht gerade leichter. Denn ich habe keine Rösterei, kein Café und auch kein Team mit dem ich mich tagtäglich austauschen kann.
Natürlich habe ich von ganz vielen Freunden Hilfe angeboten bekommen zu trainieren, zu üben, für Fragen da zu sein. Aber „mal eben“ nach Nürnberg oder Hamburg zu fahren bei einem recht vollen Kalender, das war leider nicht drin.
Das macht die Sache schon ein wenig … anders.
Spontanes Coaching Teil 1
Eines Abends habe ich mit Nicole Battefeld telefoniert, und es ging um die Planung für Unterhaching. „Ganz nebenbei“ sind wir dann auf unsere Präsentationen gekommen, und es wurde ruck zuck ein 2 Stunden Telefonat, in dem mir Nicole ganz viel Input gegeben hat, und mir hier und da noch verraten hat worauf es wann wo wie ankommen kann.
Super gut, auch da wieder: Vielen Dank.
Für alle die sie nicht kennen: Nicole hat bei den letzten drei deutschen Baristameisterschaften Platz 2, 1 und 3 erreicht (in der Reihenfolge). Und wenn ich was über Kaffee und vor allem competitions wissen möchte, dann ist sie einfach meine Nummer 1. 😉
Also habe ich mich dann an die Rezept-Idee des Signature Drinks gemacht. Filter Vorbereiten, Eiswürfel machen, testen, Mengen ändern, nochmal testen. Eine Zutat verwerfen und durch was anderes ersetzen, und weiter optimieren.
Brühen und präsentieren
Am Ende standen dann die Rezepturen fest, und es ging um die Präsentation.
Während den 15 Minuten muss man der Jury die Rezepturen vermitteln, aber auch Details über den Kaffee, warum man ihn ausgesucht hat, und auch was das Besondere ist.
Beim schreiben dieser Inhalte ist mir zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, dass ich bei all den Foto-Einsätzen bei den Meisterschaften, direkt neben der Jury, fast nie zugehört habe!
Ich habe auf die Finger geguckt, habe geschaut wo was steht, wie was von links nach rechts bewegt wird, was wann in die Mühle kommt und so weiter.
Am Abend vor dem Wettkampf haben Nicole und ich noch mal unsere Texte aufgesagt (Sie hat in der Disziplin Coffee in Good Spirits teilgenommen). Ihre Präsentation war wie zu erwarten der Knaller.
Auf meine wurde von ihr reagiert mit „Nee. Das machen wir neu.“ Okay. Es sind ja auch noch 12 Stunden Zeit.
Das war dann Coaching Teil 2
Inhaltlich ist das Meiste geblieben, aber die Formulierungen wurden noch mal optimiert. Zum Einen um Zeit zu sparen, aber auch um es verständlicher zu machen.
Der Wettkampftag
Mein Los vom Vorabend sagte: Um 12 Uhr geht’s auf die Bühne. Der Ablauf sieht so aus, dass man 60 Minuten Vorbereitungszeit backstage hat, dann noch mal 45 Minuten Zeit bis man zur Bühne geholt wird.
Dort kann man in 15 Minuten sein Setting einrichten, erst dann wird es Ernst. Setting einrichten bedeutet das Equipment hinstellen, positionieren, alles auf Flecken oder Staub prüfen… So, dass man starten kann.
Um 12 Uhr ging es dann los.
TIME!
Die Zeit läuft. Als erstes bekommt die Jury jeweils ein Glas Wasser eingeschenkt. Service, gehört dazu. Hoffentlich geht nichts daneben, denn dann muss ich dran denken die Tropfen weg zu wischen.
Wer bin ich, was mache ich hier und was serviere ich? Warum serviere ich genau das? Was ist meine Geschichte dazu?
Getränk Nr. 1
Los geht es mit dem Simple Ibrik. Bis dahin alles gut. Die Kaffeebohnen und das Wasser waren abgewogen, um das Verhältnis Kaffee:Wasser im Griff zu halten. 6g Kaffee fliegen in die Mühle, und kommen als Pulver heraus. Der Becher wurde vorher auf der Waage genullt. Das gleiche nochmal, ich brauche ja zwei Getränke.
Vor mir stehen nun zwei Waagen, eine zeigt 5,6g an, die andere 5,9. So Kaffeemühlen sind einfach unberechenbar. Um meine 5,5g zu bekommen nehme ich einfach was raus.
Mir ist bewusst dass es als „waste“ gezählt wird, aber die Abzüge sind weniger wichtig als wenn das Verhältnis nicht stimmt.
Die vorher abgemessene Menge Wasser kommt in die Ibriks, und dann ab auf die Hitze. Die Gasflamme habe ich hier und da justiert, der Jury war das zu viel. Dabei sind dummerweise die Brenner verschoben worden, was ebenfalls für Punktabzug gesorgt hat.
Das war mir neu, und mega gut dass ich das jetzt weiss!
Den Timer habe ich natürlich vergessen an zu stellen, so dass die angesagte Brühzeit nicht mehr verlässlich im Auge behalten werden konnte. Ich wollte 2:30 Minuten erreichen, und das Scoresheet sagte im Anschluss 2:26 min. Das passt.
Wärend der Kaffee auf der Hitze stand habe ich der Jury erklärt wo der Kaffee herkommt und warum ich ihn ausgesucht habe. Dass das Besondere die natürliche Aufbereitung ist, die dies und jenes mit den Bohnen macht.
Der Kaffee wurde serviert, und mit einem weiteren Timer für die Jury konnte ich den beiden sagen, dass sie nach 2 Minuten dran riechen können, und nach noch mal 2 Minuten kosten dürfen. Denn durch die Brühmethode ist der Kaffee einfach unfassbar heiss wenn er frisch in der Tasse ist.
Das hat Pluspunkte gebracht, denn ich konnte nicht vergessen „Bescheid“ zu sagen wenn sie ihn trinken durften.
Getränk Nr. 2
Der Signature Ibrik.
Als Basis wieder zwei Kupferkännchen aufs Feuer, allerdings mit bisschen mehr drin.
Das Getränk kommt dann aber nicht in eine Tasse, sondern wird gefiltert. Mit Filtern, die vorher in gesüßtem Mandarinensaft eingekocht wurden. Meine Idee war, dass der Kaffee dadurch im Geschmack noch mal einen Boost bekommt.
Zusammen mit Eiswürfeln aus Rhababersaft und einer selbst gemachten Rosenlimonade war dies mein zweiter Gang.
Natürlich auch wieder mit Story, warum wieso und was die einzelnen Geschmäcker sich gegenseitig tun.
14:16 Minten.
TIME
Danach
Ich habe nicht mehr sauber gemacht. Und ich hatte noch 44 Sekunden Zeit. Eine Ewigkeit.
Naja, Time ist Time, ich darf nichts mehr anfassen, und die Technikjuroren wandern ums Setting und begutachten alles im Detail. Im Nachhinein gab es nur 1 Punkt Abzug für ein wenig Kaffeemehl um die Mühle, ein paar Wassertropfen auf dem Tisch der Judges, und ein paar Tropfen die vom Rührstab auf den Tisch getropft sind.
Ich war an sich zufrieden, habe ein paar Dinge einfach vergessen zu erzählen. Das lag daran dass ich das Meiste in der Form erst vor ein paar Stunden umformuliert habe bzw. den Zaunpfahl-Wink dazu bekommen habe.
Aber die Erfahrung war stark, und das war genau das, was ich mir erhofft habe.
Jetzt hieß es erst mal Coffee in Good Spirits, und es sollte bis zum Abend dauern bis wir mehr wussten.
Ergebnisse
Nun standen wir da vorne. Für mich war das Ding eine Erfahrung. Ich habe Fehler gemacht, ich habe sie erkannt, und die Hürde des auf-der-Bühne-stehens hinter mich gebracht.
Ich glaube ich habe nicht schlecht gestaunt als es hieß: Platz 3 geht nach Berlin. Mein heimlicher Favorit wurde dritter! Wahnsinn…
Nun stand der SCA Vorstand zwischen mir und Spiro von der Rösttrommel aus Nürnberg. Er meinte noch, das sei eine komische Aufgabe.
Für mich eher nicht, denn ich habe mich einfach auf Grund der erkannten Fehler nicht so weit vorne gesehen.
Bis der Deutsche Baristameister von 2010 und 2012 Tom Schweiger dann meinen Arm hoch riss, mich umarmte, und ich plötzlich einen Pokal in der Hand hielt auf dem stand:
1. Platz
Deutsche Cezve/Ibrik Meisterschaften 2019
In diesem Sinne: Auf nach Berlin! Zusammen mit den andern drei Deutschen Vertretern:
- Yuri Maschall, Latte Art
- Nicole Battefeld, Coffee in Good Spirits
- Nikolai Fürst, Cuptasting
Fotos: Julius Kohnert, Phil Semelink, Füllmaterial von mir.
Faszinierende Story, Danke dafür! Eigentlich wollte ich mich nur mal schlau machen, wie man einen guten Mokka macht und bin hier zufällig drübergestolpert. Das macht Lust auf mehr – gleich mal ein Kännchen bestellen 😉
Hi Michael,
vielen Dank! Ich kann es nur empfehlen, der Kaffee kann daraus ziemlich unerwartet schmecken, sehr klar und süß! Viel Erfolg, ich hoffe du findest hier im Blog alle Infos die du brauchst.
Gruß
Sinan