Richtigen Milchschaum zu machen wird häufig als schwierig empfunden, dabei gelingt er mit der richtigen Technik fast von alleine. Das herumstochern, spritzen und blubbern um letztendlich einen groben, zusammenfallenden Schaum zu erhalten hat endlich ein Ende!
Zu Beginn: Vergesst alles alles, was ihr bislang über Milchschaum wisst.
Oder zumindest das was ihr denkt zu wissen. Es soll hier nicht um Milchschaum gehen wie er in Werbung und Gastronomie (außerhalb Italiens) als so-wirds-gemacht dargestellt wird. Vielmehr soll hier gezeigt werden wie richtiger Milchschaum aussieht, wie man ihn vom Cappuccino in Italien kennt.
Ist der Schaum wirklich so elementar anders? Ja!
Irrtum #1: Milchschaum muss fest sein!
Einsteiger sind häufig stolz drauf auf ihren Schaum, und erzählen wie toll fest er ist, so dass man ihn schön löffeln kann. Jeder seriöse Barista würde die Nase rümpfen über diese als „Bauschaum“ bezeichnete kaputtgeschäumte Milch. Der Milchschaum den wir am Ende haben wollen soll eine cremige Konsistenz haben, die eher an halb geschlagene Sahne erinnert. Warum? Weil er zum einen durch die eigene Süße besser schmeckt (s.u.), zum anderen kann man sich das ebenso verpönte Kakaopulver sparen, und mit ein bisschen Übung schicke Muster in den Kaffee gießen.
Irrtum #2: So viel wie möglich an Volumen dazu gewinnen.
30-50% Volumengewinn reichen meist völlig aus, und helfen uns dabei dem Schaum die gewünschte Konsistenz zu geben.
Milch richtig aufgeschäumt sorgt für ausreichend Süße!
Beim erhitzen passiert ein bisschen Chemie in der Milch während sie zum Milchschaum wird: Die Aminosäuren, aus denen die Proteinmoleküle zusammengesetzt sind, können unterschiedlich sein. Jeder hat schon mal von links- und rechtsdrehend gehört. So ist es hier: Die linksdrehenden L-Aminosäuren werden eher als bitter, die rechtsdrehenden D-Aminosäuren dagegen als eher süß empfunden. Da Milch zum größten Teil L-Aminosäuren enthält, schmeckt kalte Milch auch alles andere als süß.
Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber durch die thermischen Prozesse beim schäumen wandeln sich diese L-Aminosäuden in ihren spiegelbildliches Pendant um, und ZACK schmecken wir Süße. Dazu kommt dass auch der Milchzucker zum Teil „versüßt“ wird.
Aber Achtung: Wenn man zu lange erhitzt, und über 65/70°C kommt, entstehen Methylsulfid, Dimethylsulfid und Schwefelw … Nein, das würde zu weit gehen. Kurz gesagt: Dann ist es vorbei mit süß, und es wird ekelig. Wer mehr darüber wissen möchte kann hier nachlesen, da ist alles recht gut erklärt.
Ein bisschen Chemie schadet nie, und deshalb:
Mit dem richtigen Schaum den Cappuccino auch gerne mal ohne Zucker probieren!
Was brauchen wir für richtigen Milchschaum und wie benutzen wir es?
Espressomaschine mit Dampflanze.
Am besten eine pure Lanze ohne Aufschäumhilfe oder ähnliches, denn nur so hat man die volle Kontrolle über das was man mit der Milch anstellt. So ziemlich alle Siebträger Espressomaschinen haben eine solche Dampflanze. Bei Vollautomaten oder kleinen Siebträgermaschinen wie die Krups-Modelle kann es schon mal Varianten mit Aufschäumhilfe geben, oder der Druck ist nicht ganz so stark. Hier spreche ich aus Erfahrung, der Umstieg auf eine „richtige“ Maschine war ein Traum.
Milch
So kalt wie möglich sollte sie sein! Beim aufschäumen sollte die Milch nicht heißer als 60-65 °C werden, und somit bleibt uns bei kalter Milch einfach mehr Zeit. Milch mit Zimmertemperatur hat schon einen „Vorsprung“ von 15°C und ist zu schnell am heißesten Punkt.
Empfohlen wird des Weiteren ein möglichst hoher Fettanteil, also eher Vollmilch als fettarme Milch. Die unterschiedlichen Marken schäumen tatsächlich unterschiedlich auf. Hier gilt es zu auszuprobieren, gute Erfahrung habe ich mit der Weidemilch aus dem LIDL gemacht. Sehr gut funktioniert auch die Bärenmarke-Milch, aber da ist der wirtschaftliche- und gesundheitliche Hintergrund oft ein Streitthema, worauf ich hier gerne verzichten möchte. Die Rohmilch direkt vom Bauernhof hat mich leider enttäuscht. Zum einen war der Schaum schlichtweg nix, zum Anderen war der Geschmack der Milch einfach zu dominant und hat den Kaffee verdrängt. Das soll auch nicht Ziel des Ganzen sein.
Da viele große Hersteller jedoch von immer unterschiedlichen Quellen beliefert werden ändert sich deshalb auch das Aufschäumverhalten hin und wieder. Dieses hängt vom Eiweissgehalt ab, das Fett sorgt für den cremigen Geschmack.
Aufschäumkännchen
Ein Milchkännchen* aus Metall mit Tülle hilft beim Milch aufschäumen ungemein. Das Metall lässt uns die Temperatur erfühlen, die Tülle hilft beim ausgießen in die Tasse. Die Größe sollte so gewählt werden, dass das Kännchen immer zur Hälfte mit Milch gefüllt werden kann. So verteilt sich der Dampf am besten und man erzielt das beste Ergebnis.
Los geht’s!
Nachdem das Kännchen halbvoll mit kalter Milch gefüllt wurde, wird die Dampflanze einmal betätigt um das sich angesammelte Kondenswasser heraus zu blasen. Danach wird die Spitze der Lanze knapp unter die Milchoberfläche gehalten, und der Dampfbezug gestartet. Die Position der Dampflanzenspitze beim Start ist versetzt von der Mitte, ähnlich wie eine Nadel eines Plattenspielers. Die Lanze als ganzes sollte parallel zur Wand des Kännchens verlaufen. Hier hilft die Tülle oft ganz gut als Führung.
Nun stehen die meisten da und haben keine Idee was zu tun ist. Wildes herumgestochere, Lanze mitten in die Milch, warten, wackeln…
Milchschaum besteht aus Luft und Milch. Diese beiden Dinge werden in zwei Phasen miteinander verbunden:
1. Die Ziehphase.
In der Ziehphase wird Luft unter die Milch gebracht, das geschieht indem sich die Dampflanze immer ganz knapp unter der Oberfläche befindet. Man hört ein kratzendes Geräusch was durch das Ansaugen von Luft zustande kommt – aber es blubbert und spritzt nichts! Da sich das Volumen der Milch vergrößert, „ziehen“ wir das Kännchen jetzt immer wenn das schmatzende Geräusch verstummt Stück für Stück nach unten. Das machen wir einige Sekunden, und bevor die Wärme es nach aussen schafft und sich das Kännchen Handwarm anfühlt, und gehen dann in die 2. Phase über:
2. Die Rollphase.
Hier wird die Dampflanze gerade so weit tiefer in die Milch gehalten, dass man kein Kratzgeräusch mehr hört. Der Dampf wirbelt nun in der Milch umher und sorgt dafür, dass sich Luftblasen und Milch optimal verteilen. Die Bläschen werden so richtig schön klein und gut verteilt. Aufgehört wird dann, wenn das Kännchen zu heiß zum halten wird. Dies ist bei uns Menschen dankenswerterweise bei ±60°C der Fall.
Wer es genau haben will, aber auch zum üben eignet sich ein günstiges Thermometer was sich ans Kännchen klemmen lässt: Bei ca 35-40°C geht man in die Rollphase über, bei ca 55-60°C stoppt man den Dampfbezug. Wer zu lange wartet bekommt durch das geronnene Milcheiweiss wieder den guten alten Bauschaum den wir ja loswerden wollten.
Nun reicht es fürs Erste, den Milchschaum ohne den Versuch direkt Latte-Art zu zaubern zum frisch gezogenen Espresso zu geben, und den ersten Cappuccino zu genießen, so wie er sein soll. Aber natürlich gilt:
Übung macht auch hier den Meister.
Wer jetzt der Meinung ist dass er ungern erst 3 Liter Milch zum üben verheizen will hat natürlich recht. Dazu ein Tipp vom Profi: Als Übungs-Milch-aufschäum-Ersatz füllt ihr das Kännchen wie gehabt zu Hälfte, aber mit kaltem Wasser! Hinein kommt ein Tropfen (wirklich nur ein Tropfen!) Spüli, und fertig ist das ideale Übungsgemisch. Es kann nach dem aufschäumen so täuschend echt aussehen, dass man aufpassen muss es nicht zufällig in den frisch gezogenen Espresso zu schütten.
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Hallo Sinan,
schöner Artikel. Ich trinke meinen Kaffee auch immer ohne Zucker und gebe dir in der Hinsicht komplett recht, dass die Sache mit dem Löffeln was die Leute immer wollen nicht wirklich an Kaffeegenuss grenzt. Den Zucker in der Milch finde ich für einen vollmundigen genuss volkommen ausreichend. Hoffe noch mehr gute Artikel von dir zu lesen.
Gruß
Jens
Hallo Jens,
vielen Dank, freut mich dass dir der Artikel gefällt. Der Zucker in der Milch ist natürlich bei falsch zubereitetem Schaum verbrannt, so dass man dann verstehen kann dass so mancher dann zusätzlich Zucker zufügt.
Ein Tipp von mir für all diejenigen: Der „DARK MUSCOVADO“, ein unraffinierter dunkler Zucker. Der ist wirklich spitze!